Bericht zum 1. Mai 2020

In ganz Deutschland sind die großen, gewerkschaftlichen Demonstrationen ausgefallen. In viele Städten haben sich daher Bündnisse gebildet, um durch verschiedene Aktionsformen sichtbaren Protest am 1. Mai zu ermöglichen, so auch in Kiel. Es wurde eine Kundgebung für 50 Teilnehmer*innen, mit Mund- und Nasenmasken, Mindestabstand und einer Absperrung durch Absperrband von der Stadt genehmigt.

Um 12 Uhr begann die Kundgebung auf dem Platz der Kieler Matrosen, dem Bahnhofsvorplatz. Rund um den abgesperrten Bereich, der bereits mit 50 Teilnehmer*innen gefüllt war, versammelten sich zusätzlich rund 200 Menschen und nahmen sich den gesamten Platz.

Von Klimagruppen bis hin zu linken und revolutionären Gruppen war alles vertreten. Besonders positiv dabei war die starke Präsenz von sozialistisch-kommunistischen Parteien und Organisationen. In den verschiedenen Redebeiträgen wurden Gemeinsamkeiten deutlich. Immer wieder wurden Forderungen nach der Vergesellschaftung und Demokratisierung von Schlüsselbranchen wie dem Gesundheitswesen, dem Verkehrswesen, der Energieversorgung, der Großindustrie und Wohnungskonzernen laut. Dies bietet eine gute Grundlage, um Kräfte zu bündeln und Kämpfe gemeinsam zu führen. Durch die zentrale Lage der Kundgebung konnten viele Passant*innen erreicht werden. Obwohl die Veranstaltung ausschließlich auf dem Bahnhofsvorplatz stattfinden durfte und sich teils hinter Absperrband verstecken musste, war die Kundgebung ein Erfolg.

Unsere Rede zum Nachlesen:

„Derzeit heißt es oft, dass sich durch das Corona-Virus die Gesellschaft verändern wird und wir vor dem Virus alle gleich sind. Doch das ist nicht der Fall, denn die Klassenunterschiede sind auch in Zeiten von Corona allzu deutlich. Schon die Gegebenheiten und der Umgang mit den getroffenen Maßnahmen wie Kontakt- oder Ausgangssperren sind anders. Es ist ein Unterschied, ob man im Eigenheim mit Garten im Homeoffice sitzt und der Keller mit Vorräten gefüllt ist oder ob man in einem Hochhaus lebt. Es gibt Menschen, die das Privileg haben, im Homeoffice arbeiten zu können oder diejenigen, die berufsbedingt zwangsläufig Kontakt zu anderen Menschen haben müssen. In der Zeit der Corona-Krise besinnt sich die Gesellschaft scheinbar auf die Arbeiter*innen in den „systemrelevanten Berufen“, die jetzt als Alltagsheld*innen bezeichnet werden. Das Klatschen von Balkonen wirkt dabei wie ein feuchter Händedruck denen gegenüber, die schon viel zu lange unter schlechten Arbeitsbedingungen und zu geringen Löhnen arbeiten.

Der Equal Pay Day am 17.03. ist durch die Corona-Berichterstattung unter den Tisch gefallen. Dieser Tag befasst sich mit der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Dabei arbeiten in vielen systemrelevanten Berufen Frauen. Den Herrschenden geht es um das Abspeisen der Arbeiter*innen mit einer Bonuszahlung, dabeimuss es dauerhafte Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal für entsprechende Berufsgruppen geben. Für die Arbeiter*innen spielt nicht nur die Angst vor der Ansteckung sondern auch die zusätzlichen psychischen Belastungen durch die Corona-Pandemie eine große Rolle – im Umgang mit anderen, mit der eigenen Einkommenssituation und mit dem vorherrschenden Leistungsdruck. Neben schlechten Arbeitsbedingungen geht es außerdem um unzureichende oder vom Arbeitgeber zu spät umgesetzte Schutzmaßnahmen.

Arbeiter*innen im sozialen und medizinischen Bereich müssen teils in längeren Schichten mit weniger Kolleg*innen arbeiten und sind einem nach wie vor hohen Stresspegel ausgesetzt. Auch in anderen Arbeitsbereichen wie etwa der Callcenterbranche bestehen weiterhin Quoten- und Verkaufsdruck im Großraumbüro, wo zusätzliche Emotionsarbeit gefragt ist um Unmut und Unsicherheiten der Kund*innen, in der aktuellen Krise aufzufangen.

Dass wir in einer Krise stecken ist den meisten Menschen in der Bundesrepublik spätestens seit Mitte März bekannt. Kontaktverbote, Einschränkung der Grundrechte und die Schließung von Betrieben sind nur einige der Maßnahmen, die die Bundesregierung durchgesetzt hat. Dazu kommen noch sogenannte „Soforthilfen“ für kleine und große Unternehmen.

Während börsennotierte Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit schicken, um ihre ach so hohen Kosten zu senken, werden die milliardenschweren Soforthilfen nicht zum Wohle der Allgemeinheit, also für alle Arbeiter*innen in den Betrieben genutzt, sondern horrende Dividenden an Aktionär*innen ausgeschüttet. Das heißt im Klartext: Mit Geldern des Staates, also Steuern, werden indirekt die Taschen der Bonzen weiter gefüllt, während viele Kolleginnen und Kollegen von 60% Kurzarbeitergeld leben müssen!

Aber gehen wir einmal auf die Kurzarbeit ein: Das sogenannte Kurzarbeitergeld wurde ins Leben gerufen, um Betrieben, in Zeiten schlechter Auftragslagen eine Möglichkeit zur Überbrückung dieser zu geben, ohne Mitarbeiter*innen direkt zu kündigen. Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung, die aus Töpfen der Arbeitslosenversicherung bezahlt wird. Es beträgt 60% des ürsprünglichen Nettolohns bzw. 67% wenn die Werktätigen Kinder haben.

Auch der Parfümerie- und Make-Up-Riese Douglas möchte sein Stück vom Kuchen abhaben. Dass Parfüm und Make-Up in Zeiten von Corona nicht das am stärksten nachgefragte Produkt ist, klingt logisch. Dass ein Unternehmen wie Douglas sich nicht um die soziale Absicherung seiner Mitarbeiter*innen schert auch. Dass ein finanziell gut aufgestelltes Unternehmen wie Douglas sich jedoch aus dem Staatstopf bedient, anstatt seine Mitarbeiter*innen zu bezahlen, diese in Kurzarbeit schickt und ein Staat dies sogar duldet, eher weniger. Hier zeigt sich wieder das wahre Gesicht dieses Systems, des staatlichen Überbaus, das allein darauf getrimmt ist, die Reichen immer reicher zu machen und den Menschen, die wenig haben noch die letzten Groschen (oder in diesem Falle ihr wohl verdientes Gehalt) aus der Tasche zu ziehen.

Auch in der Gesundheitsbranche geht es knallhart zu. So hat beispielsweise die Asklepios-Nordseeklinik auf Sylt zwar ihre Intensivplätze auf 10 verdoppelt, dafür jedoch Abteilungen wie Rehabilitation, Hauterkrankungen und Schmerztherapie dicht gemacht und die Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit geschickt. Was für eine Doppelmoral: Auf der einen Seite applaudieren Politik und Gesellschaft den unterbezahlten und Überstunden reißenden Pflegekräften und auf der anderen Seite dürfen Kliniken einfach Abteilungen schließen und die Mitarbeiter*innen nach Hause schicken, während notwendige Operationen und der Regelbetrieb auf den Stationen bei der derzeitigen Situation möglich wären. Was Kurzarbeit zum Beispiel für alleinerziehende Elternteile und ihre Kinder am Ende finanziell bedeutet, wenn man eh schon vom Mindestlohn lebt, brauchen wir an dieser Stelle nicht weiterauszuführen.

Zu den ganzen persönlichen und finanziellen Problemen kommen noch die Einschränkungen der Grundrechte durch die Regierung. Demonstrationen und Arbeitskämpfe sind faktisch nicht möglich oder werden Verboten.

Es steht also ziemlich beschissen für unsere Klasse, die Arbeiterklasse!

Gerade deswegen stehen wir heute hier, um unsere Wut über die Herrschenden Verhältnisse auf die Straße zu bringen! Denn der 1. Mai ist kein Feiertag wie jeder andere. Es ist ein Kampftag, unser Kampftag! Und es wird Zeit die herrschenden Verhältnisse zu verändern!

Krise? Nicht auf unsere Kosten!

Daher fordern wir:

• Weg mit dem Kurzarbeitergeld! Volle Lohnfortzahlung auf Kosten der Banken und Konzerne!

• Schlüsselbetriebe vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle der Lohnabhängigen stellen

• Keine Profite mit dem Gesundheits- und Bildungssystem, Wohnen und das Verkehrswesen – Entprivatisierung jetzt!

Also Genossinnen und Genossen, Freund*innen und Zuhörer*innen, organisieren wir uns und kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung!

Danke“

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